Kanzlerwahl
Stimmen aus Südbaden: "Peinlicher Start für Merz und Klingbeil"
Es hätte in einem Debakel enden können: Erst im zweiten Wahlgang wurde Friedrich Merz zum deutschen Bundeskanzler gewählt. So haben südbadische Abgeordnete diesen historischen Tag erlebt.
So, 11. Mai 2025, 11:30 Uhr
Deutschland
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So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang noch nicht gegeben. Bei der Kanzlerwahl am vergangenen Dienstag versagten 18 Abgeordnete der neuen schwarz-roten Koalition Friedrich Merz ihre Zustimmung, so dass der 69-jährige CDU-Politiker im ersten Wahlgang die notwendige Kanzlermehrheit von 316 Stimmen deutlich verpasste. Versteinerte Gesichter und Entsetzen herrschten in den Reihen von CDU und SPD, nachdem Bundestagspräsidentin Julia Glöckner das Ergebnis verkündet hatte. Damit hätte an diesem Morgen keiner gerechnet, verfügt die neue Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD doch über 328 Stimmen,
Wer genau die Abweichler waren und was sie bewegt hat, ist unbekannt, die Wahl erfolgte geheim. Für mehrere Stunden wurde die Sitzung unterbrochen. Auch um zu klären, ob noch am selben Tag ein weiterer Wahlgang würde stattfinden können – und um die eigenen Reihen zu schließen. Am späten Nachmittag dann der zweite Versuch. Für Merz stimmten nun 325 Abgeordnete, 289 Gegenstimmen und eine Enthaltung wurden gezählt. Damit stand die Kanzlermehrheit schließlich. Nicht nur Friedrich Merz wirkte gelöst, als ihm die Abgeordneten im Bundestag zur Wahl gratulierten. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil war der Stress der vergangenen Stunden anzusehen. Später erhielt Merz im Schloss Bellevue seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Vereidigung im Bundestag erfolgte noch am Abend.
Ist bei der Verteilung der Kabinettsposten Unmut entstanden?
Er sei darüber erschrocken, dass es überhaupt einen zweiten Wahlgang gebraucht habe, sagte der Waldshuter Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (CDU) noch am Abend der Badischen Zeitung. Ebenso, dass es in den Reihen der neuen Koalition Abgeordnete gegeben habe, die sich dieser Verantwortung für das Land in diesen schwierigen Zeiten nicht bewusst gewesen seien. "Ich bin enttäuscht von diesem Verhalten und habe dafür auch kein Verständnis." Möglicherweise sei bei der Kabinettsverteilung zuvor bei einigen gewisser Unmut entstanden. "Trotzdem überwiegt die Freude, dass am Ende alles geklappt hat und wir damit ein stabiles Signal aus Deutschland heraus nach Europa und in die Welt senden. Es geht um viel, vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, die Reduzierung illegaler Migration und den Ausbau der Infrastruktur", sagte Schreiner.
"Die Verantwortung für Deutschland haben manche Abgeordnete im ersten Wahlgang nicht wahrgenommen."Johannes Rothenberger, Offenburger CDU-Bundestagsabgeordneter
Kritik an den Abweichlern übte auch der Offenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Rothenberger: "Die Verantwortung für Deutschland haben manche Abgeordnete im ersten Wahlgang nicht wahrgenommen und haben das Wohl des Landes und der Menschen in unserem Land über ihr eigenes Wohl gestellt." Es seien individuelle Fehler gewesen, die womöglich gar nicht beabsichtigt zu einem großen Fehler geführt hätten, so Rothenberger weiter. Es brauche nun Mut, um wichtige Reformen anzustoßen und das Land wieder voranzubringen.
Von einer "bösen Überraschung" spricht Johannes Fechner (SPD)
Erleichtert zeigte sich der Emmendinger CDU-Abgeordnete Yannick Bury. "Jetzt geht es darum, Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen und Probleme zu lösen, unseren Wirtschaftsstandort wieder wettbewerbsfähig zu machen, die Migrationspolitik zu ordnen und Deutschland in Europa und der Welt wieder eine verlässliche Stimme zu geben."
"Im Wahlkampf habe ich mich noch sehr geärgert, dass Merz unhaltbare Wahlversprechen gemacht und heftig auf die SPD eingedroschen hat. In den Koalitionsverhandlungen haben wir ihn aber als sachorientiert kennengelernt und ich habe ihn deshalb gewählt", sagte der Emmendinger SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Fechner. "Dass er erst nicht gewählt wurde, war für uns eine böse Überraschung. Denn das war kein Beitrag für unser Bestreben, das angeknackste Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die Politik wieder zurückzugewinnen." Alle müssten sich nun am Riemen reißen und "rasch die dringend notwendigen Reformen für unser Land angehen".
"Was heute im Bundestag passiert ist, offenbart, wie sehr es in der Union gärt und dass nicht alle mit dem Koalitionskorsett einverstanden sind, das Friedrich Merz seiner Fraktion verpasst hat, um gegenüber der SPD koalitionsfähig zu werden", sagte Michael Blos, AfD-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Emmendingen Lahr. Die Freiburger AfD-Bundestagsabgeordnete Martina Kempf ließ eine BZ-Anfrage unbeantwortet.
Chantal Kopf (Grüne): Ein historisch einmaliges Missgeschick
Von einem historisch "einmaligen Missgeschick" und einem "peinlichen Start für Friedrich Merz und Lars Klingbeil" spricht die Grünen-Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf aus Freiburg. Dass die beiden Probleme dabei hätten, in den eigenen Reihen Mehrheiten für ihre Politik zu finden, lasse für anstehende Entscheidungen nichts Gutes hoffen. "Das Land braucht eine Regierung, die das Handwerk beherrscht, stabile Mehrheiten zu bilden, und die Sicherheit ausstrahlt", sagte Kopf.
Ähnlich sieht es auch der Freiburger Linken-Abgeordnete Vinzenz Glaser: "Friedrich Merz scheitert mit seiner Politik, noch bevor er gewählt wird", sagte er. "Die Niederlage im ersten Wahlgang demonstriert nicht nur, dass er das Vertrauen der Bevölkerung verspielt hat, sondern offenbart auch das Misstrauen in den eigenen Reihen." Die Linke werde sich nun als soziale Opposition im Bundestag klar positionieren, sagte Glaser.